Der "doppelte Pukelsheim"
Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf
In den vergangenen Jahren gab das Baselbieter Wahlsystem wiederholt zu Diskussionen Anlass. Zum einen wurde jeweils bei den Landratswahlen der sehr schwer verständliche Mechanismus der Sitzverschiebungen innerhalb der Wahlregionen kritisiert. Zum anderen wurde bemängelt, dass das heutige Wahlsystem den Wählerproporz teilweise nur verzerrt abbilde. Vor diesem Hintergrund und entsprechender politischer Vorstösse hat der Landrat Ende 2019 den Auftrag erteilt zu prüfen, welche Alternativen es zum heutigen Wahlsystem geben könnte. Das Ziel bestand darin, eine bessere proportionale Abbildung der Parteienstärke im Landrat zu ermöglichen, ohne dabei den lokalen/regionalen Bezug der Parlamentsmitglieder aufzugeben. In der Folge wurde der Politologe und anerkannte Wahlrechtsexperte PD Dr. Daniel Bochsler mandatiert, das Wahlrecht in unserem Kanton auf Stärken und Schwächen hin zu analysieren und Vorschläge für eine Verbesserung zu skizzieren.
Die Landratsvorlage zur Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte liegt nun seit Anfang Juni 2024 vor. Auf der Grundlage der erarbeiteten Expertenberichte wird die Einführung eines kantonsweiten Doppelproporzsystems vorgeschlagen. Das neue Wahlsystem, umgangssprachlich auch «doppelter Pukelsheim» genannt, weil es vom Mathematiker Friedrich Pukelsheim erstmals in Zürich konkretisiert wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass es den verschiedenen Gruppierungen eine Vertretung ermöglicht, die bestmöglich ihren Wähleranteilen entspricht. Ausserdem soll mit der Einführung des neuen Wahlmodells – bei gleichzeitiger Aufhebung der Wahlregionen sowie Beibehaltung der heutigen Wahlkreise – die demokratiepolitisch heikle «6-Sitze-Garantie» pro Wahlkreis aufgehoben werden.
Im Grundsatz werden durch das neue Wahlsystem weder die grossen noch die kleinen Parteien bevorzugt oder benachteiligt. Erdrutschartige parteipolitische Verschiebungen wird es nicht geben. Simulationen auf der Datengrundlage der letzten Wahlen haben aber gezeigt, dass die grossen Parteien tendenziell eher mit Sitzverlusten zu rechnen haben. Die Aufhebung der «6-Sitze-Garantie» dürfte zudem folgende Mandatsverschiebung zur Folge haben: Die Wahlkreise Oberwil und Waldenburg je minus 1 Mandat; die Wahlkreise Münchenstein und Muttenz je plus 1 Mandat.
Als Mitglied der grossen SP-Fraktion und Landrat aus dem Wahlkreis Waldenburg hätte ich somit zwei Gründe, mich gegen die vorgeschlagene Wahlrechtsreform zu stellen. Aber ich habe mich mit der Vorlage beschäftigt und bin zur Überzeugung gelangt, dass diese Wahlrechtsreform demokratiepolitisch sinnvoll und notwendig ist. Positiv schlägt für mich auch zu Buche, dass durch die Beibehaltung der bestehenden Wahlkreise eine lokale Verankerung der Landrätinnen und Landräte weiterhin gewährleistet ist. Das revidierte Wahlrecht soll bei den Gesamterneuerungswahlen des Landrats im Jahr 2027 erstmals zur Anwendung gelangen. Vorgängig erfolgt nun die parlamentarische Beratung und das letzte Wort über diese Reform hat dann das Stimmvolk im Rahmen einer obligatorischen Volksabstimmung.