• Standesinitiative und viele neue Vorstösse

    Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf / Sept. 2023

    Die neue Legislaturperiode begann in der letzten Woche mit einer verkürzten Landratssitzung. Dementsprechend konnten nur wenige Geschäfte behandelt werden. Zu Diskussionen Anlass gab die Frage, ob der Kanton Basel-Landschaft eine Standesinitiative für die Einführung der Individualbesteuerung nach Bern schicken soll. Das Ziel besteht darin, die Ungleichbehandlung von verheirateten und in eingetragener Partnerschaft lebenden Menschen gegenüber Konkubinatspaaren aufzuheben (Abschaffung der sogenannten «Heiratsstrafe»). Da diese Frage im Eidgenössischen Parlament in naher Zukunft ohnehin auf der Traktandenliste stehen wird, muss die Wirkung dieser Standesinitiative stark relativiert werden. Die SP-Fraktion unterstützte das Anliegen dennoch geschlossen und verlangte zusätzlich kompensatorische Massnahmen zum Ausgleich der drohenden Steuerausfälle. Angesichts der Herausforderungen bei der Finanzierung künftiger Infrastrukturprojekte, des erforderlichen Mittelbedarfs beispielsweise in den Bereichen des Bildungs- und Gesundheitswesens ist eine Erosion des Steuersubstrats nicht zu verantworten. Der Zusatzantrag wurde leider von der bürgerlichen Ratsmehrheit abgelehnt und die verkehrte  Finanzpolitik dieser Parteien damit einmal mehr entlarvt. Die Standesinitiative und damit das Anliegen der Individualbesteuerung wurde schliesslich nach längerer Debatte mit 65 Ja- zu 23 Nein-Stimmen vom Landrat deutlich beschlossen.

    Im Weiteren hat der Landrat ein Gesetz über die frühe Sprachförderung beraten. Die Gesetzesvorlage soll es den Gemeinden ermöglichen, ein selektives Sprachförderobligatorium einzuführen. Der Gesetzeserlass wurde in der ersten Lesung vom Landrat befürwortet.

    Zum Schluss noch einige Worte zu einem parlamentarischen Vorstoss in eigener Sache. An der letzten Landratssitzung habe ich ein Postulat zur Mitfinanzierung von Betreuungsleistungen eingereicht. Der Betreuungsbedarf von älteren Menschen nimmt laufend zu. Dies erfordert neue Massnahmen zur Deckung und Finanzierung des Betreuungsbedarfs im Alter. Sowohl auf nationaler Ebene wie auch beispielsweise im Kanton Zürich gibt es aktuell solche Bestrebungen. Mit dem Vorstoss möchte ich von der Regierung wissen, wie eine Mitfinanzierung von Betreuungsleistungen – unabhängig der Wohnform – auch in unserem Kanton eingeführt werden könnte. So, dass allen älteren Menschen eine bedarfsgerechte Betreuung gewährleistet werden kann.

  • bürokratieabbau im gesundheitswesen

    Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf

    Der Fachkräftemangel im Schweizer Gesundheitswesen ist bekanntlich sehr gross. In den Zeitungen wird beinahe täglich darüber berichtet. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens PwC werden in der Schweiz bis 2040 rund 5500 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Noch weit grösser ist der künftige zusätzliche Personalbedarf in der Pflege. Aufgrund der absehbaren demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts werden der Schweiz bereits bis 2030 laut einem Versorgungsbericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) mindestens 20 000 Pflegekräfte fehlen. Und 2030 ist schon bald!

    Bereits heute besteht ein Pflegenotstand. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn in systemrelevanten Universitäts- und Zentrumsspitälern wegen des Personalmangels Betten oder ganze Abteilungen zeitweise geschlossen werden müssen. Kommt hinzu, dass bestens ausgebildetes Personal heute über einen Berufsausstieg nachdenkt respektive diesen bereits vollzogen hat. Zu Recht werden in diesem Zusammenhang bessere Arbeitsbedingungen eingefordert.

    Wenn das Schweizer Gesundheitswesen die hohe Qualität halten will, muss sich etwas ändern. Andernfalls rutschen wir unweigerlich in eine Unterversorgung, weil schlicht nicht mehr genügend Personal bereit ist, unter diesen Bedingungen zu arbeiten.

    Neben einer Ausbildungsoffensive und den bereits erwähnten besseren Arbeitsbedingungen sehe ich noch einen dritten Ansatzpunkt, den es dringend anzupacken gilt: einen Bürokratieabbau im Schweizer Gesundheitswesen. Immer mehr Regulierungen führen dazu, dass der administrative Aufwand für Pflegende, Ärztinnen und Ärzte, Praxis-, Spital- und Krankenversicherungsmitarbeitende zunimmt. Viele Ärztinnen und Ärzte verbringen heute mehr Zeit mit administrativen Arbeiten als mit der direkten Behandlung der ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten. Das ist nicht nur sehr frustrierend für das hoch spezialisierte, gut ausgebildete Personal, sondern kostet auch sehr viel Zeit und Geld.

    Dabei scheint Bürokratie manchmal unausweichlich, ja sogar notwendig. Denn jede Institution, jedes Gemeinwesen braucht administrative Abläufe und Prozesse. Problematisch wird Bürokratie jedoch dann, wenn sie zum Selbstzweck verkommt. Das ist spätestens dann der Fall, wenn bürokratische Massnahmen und Abläufe keinen Nutzen mehr bringen. Und von Letzterem haben wir in unserem Gesundheitswesen zu viel und leider immer mehr: Misstrauen zwischen Versicherern und Leistungserbringern, eine schier unermessliche Flut von Prüfhandlungen, eine exponentielle Zunahme des Dokumentationsaufwands, viele zusätzliche Regularien ohne erkennbaren Mehrwert. Gesamthaft führt das zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Wir brauchen hier dringend einen Paradigmenwechsel. Es reicht nicht, den «Schwarzen Peter» im Kreis herumzureichen. Gefordert sind alle: die Politik, die Versicherer, die Leistungserbringer, die Verbände und jeder Einzelne.

    In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.

    Link zum Artikel aus der «Volksstimme»

  • Mehr Mittel für die Prämienverbilligung

    Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf

    Die Corona-Krise hat deutlich gezeigt, wie wichtig eine flächendeckende, qualitativ hochstehende und leistungsfähige Gesundheitsversorgung ist; für unsere persönliche Gesundheit und für das Funktionieren unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Dies erfordert einen entsprechend hohen Mitteleinsatz durch die öffentliche Hand. Ungerecht ist es aber, wenn die stetig steigenden Gesundheitskosten nur über das unsoziale System der einheitlichen Kopfprämien bei den Krankenkassen verteilt werden. Besonders ungerecht ist es, wenn der Kanton bei der Prämienverbilligung mit dieser Entwicklung nicht Schritt hält. Eine Analyse der Situation in den Kantonen zeigt, dass im Baselbiet sehr wenige Personen überhaupt Prämienverbilligungen erhalten: Bei der Bezüger-Quote von Prämienverbilligungen liegen wir nämlich an einer der letzten Stellen!

    Die mittlere Prämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung steigt in unserem Kanton im kommenden Jahr um satte sieben Prozent. Der Regierungsrat will nun diesen Anstieg mit einer Erhöhung der Prämienverbilligungen vollständig ausgleichen. Er beantragt dem Landrat dafür zusätzliche Beiträge im Ausmass von 11 Mio. Franken. Das ist erfreulich. Dieser Ausbauschritt entspricht im Kern auch einer Forderung meiner Partei, der SP, die dafür aber mehr Mittel gefordert hat, und zwar zurecht: Die vom Regierungsrat beantragte Summe wird zwar ausreichen, um die Prämienerhöhungen der bereits Bezugsberechtigten auszugleichen. Aber zahlreiche Personen in unserem Kanton mit tiefen und mittleren Einkommen, die aktuell besonders betroffen sind von den steigenden Krankenkassenprämien, erhalten bisher noch keine Prämienverbilligungen. Deshalb ist es aus meiner Sicht unabdingbar, auch in unserem Kanton den Kreis der Bezugsberechtigten auszuweiten und somit den Mitteleinsatz bei der Prämienverbilligung zu vergrössern. Auf die entsprechenden Diskussionen im Landrat Mitte Dezember bin ich gespannt.

    Während der Wintersession der Eidgenössischen Räte stehen auch die Bundesbeiträge zur Prämienverbilligung zur Debatte. Der Ständerat wird dann über die Prämienentlastungsinitiative der SP diskutieren. Die Initiative fordert zurecht einen Ausbau der Prämienverbilligungen, damit niemand mehr als 10 Prozent des Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben muss. Der Nationalrat hat im Sommer bereits einen Ausbau der Prämienverbilligung beschlossen. Stimmt auch der Ständerat dieser Vorlage zu, könnte der Prämienanstieg im Jahr 2023 mit zusätzlichen Bundesmitteln von voraussichtlich 30 Mio. Franken in unserem Kanton kompensiert werden; sozusagen eine Zielerreichung ohne Mehraufwand für den Kanton. Auch hier empfehle ich Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser, die Debatte und die Standpunkte der einzelnen Parteien genau zu verfolgen. Sollten sich meine Hoffnungen nicht erfüllen, wird es zu dieser Thematik wohl zu einer Volksabstimmung kommen müssen. Denn Gesundheit muss bezahlbar sein und auch bezahlbar bleiben.

    In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.