«Freie Spitalwahl ist nur möglich, wenn Basel-Stadt einen Ausgleichsbetrag bezahlt»

Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf

Wenn es um gesundheitspolitische Fragen geht, ist Urs Roth ein Fachmann, einer, der die Strukturen und Dynamiken sowohl in Basel-Stadt als auch in der Landschaft kennt. Der 64-jährige SP-Landrat aus Niederdorf war Geschäftsleitungsmitglied im Basler Gesundheitsdepartement, Kadermitarbeiter im Kantonsspital Baselland (KSBL) und Geschäftsführer des Baselbieter Spitex-Verbandes. Seit einigen Tagen ist er nun im Ruhestand, was ihn nicht daran hindert, sich zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen zu äussern.


Herr Roth, am Dienstag wurde bekannt, dass das Unispital das Claraspital kauft. Was bedeutet das fürs Baselbiet?

Zuerst möchte ich sagen: Ich halte diesen Basler Weg für eine gute Lösung. Positiv beurteile ich auch den Verzicht auf das Klinikum 3. Dieses Vorhaben habe ich nie richtig verstanden und immer mit grosser Skepsis betrachtet. Zu Ihrer Frage: Ich sehe keine Auswirkungen für die Baselland-spezifischen Fragen, gerade auch wenn es um die Standortdiskussionen beim KSBL geht.

Warum?

Das Baselbiet braucht unabhängig von dieser Übernahme eine eigene gute Spitalversorgung im Bereich der Grundversorgung.

Viele Baselbieter gehen bereits heute in der Stadt ins Spital, obwohl sie dieselben Leistungen in der Landschaft haben könnten. Könnten sich diese Patientenströme nun nicht weiter akzentuieren?

Nein, ich denke nicht. Die Patientenflüsse werden nicht zuletzt durch die Qualität der Leistungserbringung und selbstverständlich das Leistungsangebot beeinflusst. Für die Qualität sind die Verantwortlichen in den Spitälern zuständig. Daran ändert sich wegen der Übernahme nichts, weshalb ich keine Gründe für eine Akzentuierung der Situation sehe.

Nur haben Baselbieter Politiker die freie Spitalwahl, die seit 2014 gilt, massiv infrage gestellt. Sie steht auf der Kippe.

Das wird in Baselland ja schon länger diskutiert und von der SVP gefordert. Inzwischen liegt die Wirkungsanalyse zum gemeinsamen Gesundheitsraum beider Basel vor. Sie bestätigt, wenig überraschend: Die volle Freizügigkeit in der Spitalwahl, die in keiner anderen Region der Schweiz so besteht, führt fürs Baselbiet wegen der Tarifdifferenzen zu substanziellen Mehrkosten. Und dennoch sollte dieses einzigartige Instrument weiter bestehen. Politisch ist das aber nur möglich, wenn Basel-Stadt sich zur Zahlung eines entsprechenden Ausgleichsbetrages bereit erklärt. Es geht hier immerhin um rund 10 Millionen Franken. Falls eine solche Transferzahlung jedoch nicht realisiert werden kann, befürchte ich, dass es das System der vollen Freizügigkeit wohl nicht mehr lange geben wird. So oder so ist es wichtig, dass wir eine starke Leistungserbringung im KSBL haben.

Sie sprechen die Zukunft des KSBL an. Derzeit werden zwei Varianten diskutiert: das Festhalten an den Standorten Liestal und Bruderholz oder aber ein ganz neuer Standort auf der «grünen Wiese» in Pratteln.

Für mich kommt die Lösung auf der «grünen Wiese» nicht infrage. Im Vordergrund steht weiterhin die Variante mit den zwei Standorten Liestal und Bruderholz. Ich möchte, dass wir nah am Wohnort der Einwohnerinnen und Einwohner des Baselbiets eine eigene, gute Grundversorgung haben und als Kanton selbstbewusst das eigene Spital pflegen. Dafür bin ich schon damals jahrelang als KSBL-Kadermitarbeiter eingestanden.

Konkretisieren Sie bitte.

Zuerst: Wir neigen dazu, Entscheidungen zu verzögern, statt sie zu fällen. Das gilt für das Parlament sowie für die Regierung. Leadership heisst für mich aber auch: sich einmal festlegen. Das haben wir bis heute nicht gemacht. Nach der gescheiterten Fusion von Unispital und KSBL vor rund fünf Jahren hat man die «grüne Wiese» bereits ausführlich diskutiert, hat alles kalkuliert und akribisch angeschaut. Danach hat man einen anderen Fokus gelegt: An den Standorten Bruderholz und Liestal macht man nicht das Gleiche, sondern man operiert mit zwei geschärften Leistungsangeboten. Die beiden Varianten, die man jetzt evaluiert, liegen also längst auf dem Tisch.

Das spricht jedoch nicht zwingend gegen die eine und für die andere Variante.

Die Fehler liegen in der Vergangenheit. Wir haben uns in den letzten Jahren zu viel mit Fusionen und Ähnlichem befasst. Dabei haben wir mit den Standorten Bruderholz und Liestal und dem Gesundheitszentrum Laufen ein Angebot im Baselbiet, das insgesamt mit einer verstärkten Ambulantisierung gut funktionieren könnte. Ich möchte jedoch nicht vom Status quo sprechen, denn das ist es nicht.

Sondern?

Meine Idee ist die: In Liestal soll weiterhin ein Spital mit einer top eingerichteten Notfallstation stehen, das kann es nicht zwei- oder dreifach in der näheren Umgebung geben. Im Bruderholz soll die Spezialisierung auf einzelne medizinische Disziplinen samt Kooperationen mit Dritten – auch Basel-Stadt – weiter vorangetrieben werden. Klar ist: Wenn wir nun nochmals zwei Jahre zuwarten bis zum Entscheid und es bis zur Umsetzung zehn weitere Jahre dauert, laufen wir Gefahr, dass das KSBL weiter Marktanteile verliert.

Zentrale Akteure des regionalen Gesundheitswesens sagten in der BaZ aber, dass die Schliessung der Standorte Bruderholz und Liestal gut zu verkraften wäre.

Ich habe nichts dagegen, wenn sich jemand in die Tagespolitik einmischt, nur sollten die Fakten dann auch stimmen. Gestolpert bin ich über Aussagen von Professor Stefan Felder, der gesagt hat, dass die Bettenzahl in beiden Basel in den letzten zehn Jahren gestiegen sei. Offizielle Daten zeigen ein anderes Bild: Demzufolge ist die Bettenzahl zwischen 2012 und 2023 im Gesundheitsraum der beiden Basel nicht gestiegen, sondern substanziell gesunken. Der Rückgang im Baselbiet ist sogar überproportional ausgefallen.

Inwiefern?

Betrachtet man die Entwicklung der Bettenzahl in der Landschaft, so ist sie um 21 Prozent gesunken. Mit der Schliessung des KSBL-Standorts in Laufen haben wir bereits viel abgebaut und zur Bereinigung der Spitaldichte beigetragen. Werden darüber hinaus die Betten nur im akutsomatischen Bereich betrachtet, so hat sich der Wert in diesem Zeitraum sogar um 33 Prozent reduziert. Die Aussagen von Professor Felder sind deshalb nicht nur grundfalsch, sondern auch unlauter. Es ist meines Erachtens unverantwortlich, zu sagen, dass die Schliessung der beiden KSBL-Standorte gut zu verkraften wäre.

Die Bettenzahl ist nicht das einzige Argument, das vorgebracht worden ist.

Ein neues Spital «auf der grünen Wiese» macht auch sonst keinen Sinn. Im Gesundheitswesen haben wir mit der unzureichenden Finanzierung von stationären Institutionen schweizweit ein Problem – was nicht mit dem Standort, sondern mit unzureichenden Tarifen und den stark gestiegenen Kosten zu tun hat. Rund 70 Prozent der Kosten eines Spitals sind Lohnkosten. Zudem sind die zur Diskussion stehenden Standorte in Pratteln versorgungspolitisch suboptimal und die Umsetzungsrisiken beträchtlich. Auch nicht vergessen dürfen wir, dass das KSBL ein wichtiger Arbeitgeber mit vielen Ausbildungsplätzen ist. In Liestal sogar ein wesentlicher Strang eines regionalen Kompetenzzentrums. Das kann man nicht einfach aufgeben.

Sie sprechen den emotionalen Aspekt an, der in der Debatte omnipräsent ist.

Absolut. Es ist kein Zufall, dass sich 33 Oberbaselbieter Gemeinden gegen die Schliessung des Spitalstandorts Liestal wehren. Kommt dazu: Wenn es in der Region Basel tatsächlich Überkapazitäten gibt, dann in Basel-Stadt. Der Verzicht auf das Klinikum 3 ist deshalb auch unter diesem Blickwinkel zu begrüssen.

Abschliessende Frage: Zuvor haben Sie betont, dass in der Gesundheitspolitik weiterhin Kooperationspotenzial zwischen beiden Basel besteht. Doch mit der Clara-Übernahme fokussiert sich das Unispital auf sich selbst. Zudem erteilte Baselland dem Stadtkanton in der Infrastrukturplanung vor ein paar Tagen eine Absage.

Wer hier in der Infrastrukturplanung wem eine Absage erteilt hat, lass ich mal im Raum stehen. Aber eine gemeinsame Versorgungsplanung muss trotzdem noch möglich sein. Wir haben seit je mit den Institutionen in Basel-Stadt kooperiert, was ja auch richtig ist. Gerade wenn es darum geht, die Ambulantisierung voranzutreiben, wird das auch in Zukunft wichtig sein.


Erschienen in der BAZ am 13.07.2025, zum Artikel

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