Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung
Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf
Vor rund zwei Wochen hat die Baselbieter Bevölkerung einer Teilrevision des Gesundheitsgesetzes mit einem Ja-Anteil von 62 Prozent deutlich zugestimmt. Die Negativszenarien, mit denen die Gegnerschaft aus FDP und SVP auf Stimmenfang gegangen ist, haben zum Glück nicht verfangen. Mit der ambulanten Zulassungssteuerung für Ärztinnen und Ärzte bekommt der Kanton ein Instrument, um die im schweizweiten Vergleich sehr hohen Gesundheitskosten etwas zu dämpfen. Die geplante Zulassungsbeschränkung führt in keiner Weise zu einer Unterversorgung, denn es sollen nur Disziplinen reguliert werden, bei denen ein signifikantes Überangebot mit grossen, unerwünschten Kosten und Prämienwirkungen besteht.
Nach der Abstimmung ist bekanntlich vor der nächsten Abstimmung. Bereits im November stimmen wir diesmal auf nationaler Ebene über die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen ab (die sogenannte Efas-Vorlage). Mit Efas sollen ambulante und stationäre Leistungen künftig mit dem gleichen Schlüssel durch die Kantone und die Krankenversicherer finanziert werden. Bislang werden die ambulanten Leistungen nur von den Krankenkassen (also über Prämien) und die stationären Leistungen im Verhältnis 55 Prozent (Kantone) und 45 Prozent (Prämien) finanziert. Es ist offensichtlich und längst bekannt, dass diese unterschiedliche Finanzierung von Gesundheitsleistungen zu Fehlanreizen und Verzerrungen führt.
Die Schweiz hinkt bei der «Ambulantisierung» der Spitalbehandlungen im internationalen Vergleich stark hinterher. Das ist unter Fachleuten bekannt, ausgewiesen und daher unbestritten. Und nicht nur das Niveau der «Ambulantisierung» ist geringer, auch das Tempo der Verlagerung schreitet bei uns in der Schweiz langsamer voran. Weshalb ist das so? Die Kassen haben an dieser Verlagerung heute kein Interesse, weil sie 100 Prozent der Kosten zu tragen haben (stationär nur 45 Prozent). Die Spitäler machen zwar Schritte in diese Richtung, aber viel zu zögerlich, weil sie bei den ambulanten Behandlungen aufgrund der Fehlanreize und einer Kostenunterdeckung von durchschnittlich über 20 Prozent «drauflegen». Die Finanzmisere bei den Spitälern, über welche die Medien beinahe jeden Tag berichten, hat sehr viel mit diesen Ungereimtheiten zu tun. Das zögerliche Verhalten vieler Spitäler kann man ihnen deshalb nicht einmal verdenken.
Volkswirtschaftlich gesehen liegt hier ein grosses Einsparpotenzial brach. Auch für die künftigen Spitalplanungsprozesse ist dieser Faktor «ambulant vor stationär» von entscheidender Bedeutung. Überkapazitäten sollten abgebaut und Fehlinvestitionen verhindert werden. Auch hier fehlt der Grundstein Efas, der schon vor Jahren hätte gelegt werden sollen. Efas ist ein zentrales Element zur Stabilisierung der Gesundheitskosten in unserer Region. In diesem Sinne ist Efas eines der wichtigsten Reformvorhaben im Gesundheitswesen der letzten Jahre. Diese Chance darf nicht verspielt werden.