CARTE BLANCHE – Volksstimme

bürokratieabbau im gesundheitswesen

Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf

Der Fachkräftemangel im Schweizer Gesundheitswesen ist bekanntlich sehr gross. In den Zeitungen wird beinahe täglich darüber berichtet. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens PwC werden in der Schweiz bis 2040 rund 5500 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Noch weit grösser ist der künftige zusätzliche Personalbedarf in der Pflege. Aufgrund der absehbaren demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts werden der Schweiz bereits bis 2030 laut einem Versorgungsbericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) mindestens 20 000 Pflegekräfte fehlen. Und 2030 ist schon bald!

Bereits heute besteht ein Pflegenotstand. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn in systemrelevanten Universitäts- und Zentrumsspitälern wegen des Personalmangels Betten oder ganze Abteilungen zeitweise geschlossen werden müssen. Kommt hinzu, dass bestens ausgebildetes Personal heute über einen Berufsausstieg nachdenkt respektive diesen bereits vollzogen hat. Zu Recht werden in diesem Zusammenhang bessere Arbeitsbedingungen eingefordert.

Wenn das Schweizer Gesundheitswesen die hohe Qualität halten will, muss sich etwas ändern. Andernfalls rutschen wir unweigerlich in eine Unterversorgung, weil schlicht nicht mehr genügend Personal bereit ist, unter diesen Bedingungen zu arbeiten.

Neben einer Ausbildungsoffensive und den bereits erwähnten besseren Arbeitsbedingungen sehe ich noch einen dritten Ansatzpunkt, den es dringend anzupacken gilt: einen Bürokratieabbau im Schweizer Gesundheitswesen. Immer mehr Regulierungen führen dazu, dass der administrative Aufwand für Pflegende, Ärztinnen und Ärzte, Praxis-, Spital- und Krankenversicherungsmitarbeitende zunimmt. Viele Ärztinnen und Ärzte verbringen heute mehr Zeit mit administrativen Arbeiten als mit der direkten Behandlung der ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten. Das ist nicht nur sehr frustrierend für das hoch spezialisierte, gut ausgebildete Personal, sondern kostet auch sehr viel Zeit und Geld.

Dabei scheint Bürokratie manchmal unausweichlich, ja sogar notwendig. Denn jede Institution, jedes Gemeinwesen braucht administrative Abläufe und Prozesse. Problematisch wird Bürokratie jedoch dann, wenn sie zum Selbstzweck verkommt. Das ist spätestens dann der Fall, wenn bürokratische Massnahmen und Abläufe keinen Nutzen mehr bringen. Und von Letzterem haben wir in unserem Gesundheitswesen zu viel und leider immer mehr: Misstrauen zwischen Versicherern und Leistungserbringern, eine schier unermessliche Flut von Prüfhandlungen, eine exponentielle Zunahme des Dokumentationsaufwands, viele zusätzliche Regularien ohne erkennbaren Mehrwert. Gesamthaft führt das zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Wir brauchen hier dringend einen Paradigmenwechsel. Es reicht nicht, den «Schwarzen Peter» im Kreis herumzureichen. Gefordert sind alle: die Politik, die Versicherer, die Leistungserbringer, die Verbände und jeder Einzelne.

In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.

Link zum Artikel aus der «Volksstimme»

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